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Grußworte

OLAF LIES
NIEDERSÄCHSISCHER MINISTER FÜR UMWELT, ENERGIE, BAUEN UND KLIMASCHUTZ

Auf Initiative des Niedersächsischen Landtages wird der Staatspreis für Architektur, unsere höchste staatliche Architekturauszeichnung, seit 1996 alle zwei Jahre verliehen. Das Land Niedersachsen, vertreten durch das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz lobte den Preis in diesem Jahr zum dreizehnten Mal aus, wieder in der bewährten Kooperation mit der Architektenkammer Niedersachsen. Die vorliegende Broschüre stellt ausführlich das Siegerprojekt vor, präsentiert die Nominierungen und die Projekte der Engeren Wahl sowie dokumentiert vollständig die Einreichungen. Die Dokumentation und unsere Wanderausstellung würdigen die Leistungen aller Projektbeteiligten in besonderer Weise und geben gleichzeitig einen detaillierten Überblick über das aktuelle Baugeschehen in Niedersachsen zum Thema „Wohnen – zukunftsweisend und klimagerecht!“.

Pandemiebedingt verbringen wir sehr viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Indem sich Arbeit, Schule, Studium oder die KiTa notwendiger Weise nach Hause verlagern, wird der Rückzugsort zum Funktionsraum. Im besten Fall beweist die Wohnung durch Größe, Flexibilität und im Zuschnitt dann ihre Homeoffice-Qualität und bietet mit einem Balkon eine luftig-grüne Erholungsmöglichkeit.

Das Zusammenführen von Wohnen und Arbeiten kann auch ohne Pandemie ein Zukunftsmodell mit Potential zum Klimaschutz sein. Allerdings erfordert multifunktionales Wohnen neue kreative Gesamtkonzepte, die sich stetig wandelnden Ansprüchen und Bedürfnissen anpassen können. Hier sind noch nicht alle Optionen ausgeschöpft. Wir bleiben darüber mit der engagierten Architektenschaft im Gespräch und werden das Zusammenwirken von Architektur und Politik im gesellschaftlichen Kontext intensivieren.

Ich freue mich, dass zum diesjährigen Niedersächsischen Staatspreis für Architektur 71 interessante Projekte eingereicht wurden. Die spannende Bandbreite der architektonischen Lösungen und der sich daraus ergebenden starken Nutzungsqualitäten ist beeindruckend. Sowohl beim Neubau als auch in der Bestandssanierung setzen insbesondere die im Vorderfeld Platzierten auf neue Konzeptideen sowie umweltgerechte Materialien und Standards. Sie leisten ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der Baukultur und zum Klimaschutz. Nachhaltige Quartiere sind ökologisch, ökonomisch und sozial orientiert. Sie punkten mit ihrem qualitätsvollen Umfeld, das sich auch als Sozial- und Interaktionsraum versteht. Im engen Zusammenwirken und in kraftvoller Ergänzung entfalten Städtebau und Architektur ihre überzeugende gesellschaftsprägende Wirkung.

Die prämierten Projekte, zu denen ich den Preisträger, die Nominierungen und die Engere Wahl zähle, zeigen was vorbildliches zukunftsgerechtes Planen und Bauen auszeichnet. Bei gleicher Bauaufgabe, nämlich Wohnraum zu schaffen, sprechen sie jeweils ihre eigene Sprache und verdeutlichen eindrucksvoll die vielfältigen Facetten von zukunftsorientiertem Wohnungsbau in Niedersachsen. Das Siegerprojekt „Neues Wohnen an der Alten Döhrener Straße“ in Hannover überzeugt mit seiner sehr hohen Qualität in Architektur und Bauausführung sowie seinem integrativen Konzept. Es erfüllt die Kriterien des Staatspreises in überragender Weise. Die vier Punkthäuser überwinden scheinbare Gegensätze. Sie grenzen sich gestalterisch von ihrer Umgebung ab und fügen sich zugleich funktional gemeinschaftlich ein. Mit einem differenzierten Wohnungsangebot bei großer sozialer Mischung ist es ein vorbildliches Modell gesellschaftlichen Zusammenlebens in Niedersachsen und darüber hinaus.

Ebenso begeistert mich der Umbau eines ehemaligen Kindergartens zu einem, in vielerlei Hinsicht nachhaltigen Doppelwohnhaus zweier junger Familien. Wagemut und Heimatverbundenheit des Bauherrn gepaart mit dem Ideenreichtum des Architekten schaffen Beispielgebendes. Gleiches gilt für den hochwertigen innerstädtischen Neubau auf einem vormaligen Feuerwehrareal. Städtebaulich hervorragend eingepasst und architektonisch lebendig modern greift das Ensemble die örtliche Typologie und Geschichte auf und interpretiert sie neu.

Zur Nachahmung empfohlen werden auch die individuellen Einzelprojekte, wie das studentische Wohnen in einer ehemaligen Kirche, der anspruchsvolle Neubau der Wohnungslosenhilfe und das Experiment Recyclinghaus. Innovative Quartiersprojekte, wie beispielsweise die Teilerhöfe spiegeln eine neue, gemeinsinnorientierte, gesellschaftliche Entwicklung wider, die ihrerseits städtebauliche und architektonische Strukturen beeinflusst. Gute Nachbarschaft und Gemeinschaft stellen mittlerweile für viele Menschen einen wichtigen Faktor persönlicher Lebensqualität dar. Ich begrüße es ausdrücklich, wenn Bauherren sowie Architektinnen und Architekten diese zukunftsweisenden Ideen aufgreifen und umsetzen. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung unserer vielfältigen Gesellschaft.

Ich danke den Bauherrinnen und Bauherren sowie und Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfassern für ihr Engagement bei Planung und Realisierung der Projekte, aber auch für ihre Teilnahme an unserem Wettbewerb. Ebenso gilt mein Dank der Jury sowie allen Weiteren, am Zustandekommen des Wettbewerbsergebnisses und der Dokumentation Beteiligten.

 

 

ROBERT MARLOW
PRÄSIDENT DER ARCHITEKTENKAMMER NIEDERSACHSEN

Der Niedersächsische Staatspreis für Architektur 2020 zum Thema „Wohnen – zukunftsweisend, klimagerecht!“ stand unter ganz besonderen Vorzeichen, fiel seine Durchführung doch mitten in die Corona-Pandemie mit all ihren Hindernissen und Herausforderungen. Um das Verfahren überhaupt realisieren zu können, war viel organisatorisches Geschick, Improvisationskunst und Beharrlichkeit erforderlich, und so gilt mein aufrichtiger Dank allen Beteiligten, die zum Gelingen beigetragen haben. Und es bedeutete von allen Architektinnen und Architekten und ihren Bauherrinnen und Bauherren eine große Bereitschaft, den Unwägbarkeiten zum Trotz, in diesem Jahr am Staatspreis mitzuwirken. Dieser Mut ist nicht selbstverständlich. Umso mehr bin ich froh, dass auch der Staatspreis für Architektur 2020 erfolgreich und seiner Bedeutung angemessen durchgeführt werden konnte.

Gerade die vergangenen Monate haben uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die gebaute Umwelt und deren Qualität für unser Zusammenleben als Gemeinschaft ist: Unsere gebauten Räume – und damit meine ich Innen- und Außenräume – müssen eben mehr sein als reine Nutzflächen. Sie müssen flexibel, nachhaltig, sicher und qualitätsvoll gestaltet sein, damit wir langfristig gut leben, wohnen, arbeiten und uns bewegen können.

Wohnen war auch schon in der Zeit vor Corona eine der bestimmenden sozialen, städtebaulichen und architektonischen Herausforderungen – und bleibt es auch jetzt und danach. Wohnen ist gebauter Klimaschutz, Wohnen ist politisch, Wohnen ist gesellschaftlich elementar. Angemessener Wohnraum muss für alle vorhanden und vor allem aber auch erschwinglich sein – und immer bei hohen gestalterischen Qualitäten, wie ich als Architekt anfügen möchte, denn ich bin sicher, dass auch dies viele soziale Probleme zu lindern vermag.

Wohnen ist für Reiche wie für Arme, für Geflüchtete, für Studierende, für Familien, für Alleinerziehende und Ältere – einfach für alle etwas sehr Persönliches: Die Wohnung ist Rückzugsort und bietet Schutz, Vertrautheit, Geborgenheit, Sicherheit und auch Gemeinschaft. Dabei verändern die Auswirkungen der globalisierten und mobilen Welt sowie der demographische Wandel und die aktuellen Klimaschutzbestrebungen stetig die Rahmenbedingungen für das Bauen und das Wohnen. Als qualifizierte Planende müssen wir auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse reagieren, müssen unsere Konzepte gleichermaßen flexibel für zukünftige Veränderungen auslegen und mit teilweise schmalen Budgets das Optimum für die Bewohner, den Ort und besonders auch für die Umwelt erreichen.

Der Staatspreis für Architektur in Niedersachsen ist, das betonen wir alle zwei Jahre, die höchste Architekturauszeichnung des Landes. Ein Zeichen der Wertschätzung für unsere Baukultur, die in unserem Land durch Architekten, Landschaftsarchitekten, Innenarchitekten und Stadtplaner geplant und geprägt wird – genauso wie durch verantwortungsvolle Bauherrinnen und Bauherren. Mit dem zu wechselnden Themen vergebenen Staatspreis wollen wir die Baukultur in Niedersachsen fördern und aktiv mit Leben füllen, mit Beiträgen, die beispielhaft, von hoher baukünstlerischer Qualität und zudem zukunftsweisend sind und uns so zum Diskutieren und zur Auseinandersetzung anregen. Der Staatspreis stiftet damit Verständnis für das qualitätsvolle Bauen, und er regt im besten Fall öffentliche und private Bauherren an, ebenfalls in vorbildliche Projekte zu investieren.

Beim Staatspreis für Architektur 2020 war zu beweisen, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auch im Wohnungsbau gelingen kann, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit mehr bedeuten als „nur“ Energie(n) zu sparen. Die Jury hat in zwei Sitzungen und einer Exkursion aus dem Kreis der 71 eingereichten Arbeiten insgesamt zwölf Objekte für die Engere Wahl, zwei Nominierungen und den Preisträger bestimmt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen – nein: Es muss gezeigt werden, steht es doch für unterschiedlichste kreative und vor allem zukunftsweisende Lösungen zum Thema Wohnen in Niedersachsen! Mit dem Preisträger – Neues Wohnen an der Alten Döhrener Straße in Hannover – ist ein äußerst attraktives Wohnquartier mit Eigentums- und Mietwohnungen, eine große Anzahl davon gefördert, und einem inklusiven Wohnprojekt ausgezeichnet worden: Beispielhaft vereint es innen und außen sinnliche Anmutung und hohe Nutzungsqualität, sowie Gemeinschaft und Individualität für die unterschiedlichen Bewohnergruppen. Vielleicht nicht das „lauteste“ Projekt unter den Einreichungen, dafür aber ein zur Nachahmung Empfohlenes, das zeigt, wie „Wohnen“, eingebettet in den örtlichen Gesamtzusammenhang, zum öffentlichen Ausdruck wird, wie sich eine Gesellschaft versteht und was sie mit intelligenten Konzepten in der Lage ist zu erreichen.

Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten!