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Öffentliche Planungsaufträge sind seit dem 24.08. überwiegend EU-weit auszuschreiben

| Fachmeldungen

Streichung § 3 Abs. 7 VgV

Eine durch die EU-Kommission erzwungene Änderung der Vergabeverordnung (VgV) führt seit dem 24.08.2023 dazu, dass bei öffentlichen Auftragsvergaben die Honorare der verschiedenen Planungsbereiche addiert werden müssen. Durch die Addition wird der sog. Schwellenwert, also der Wert, ab dem Vergabeverfahren der öffentlichen Hand europaweit auszuschreiben sein, bereits bei deutlich kleineren Bauvorhaben als bisher überschritten.

Aufträge, die durch die öffentliche Hand vergeben oder überwiegend finanziert werden, müssen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in aller Regel öffentlich ausgeschrieben und im Wettbewerb vergeben werden. Wird eine bestimmte Größenordnung (Schwellenwert) bei dem Auftrag überschritten, muss die Ausschreibung aufgrund von EU-Vorgaben europaweit erfolgen. Zudem gelten dann besondere rechtliche Bestimmungen und Vorgaben – insbesondere aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabeverordnung (VgV). Die Größenordnung bestimmt sich nach der voraussichtlichen Vergütung für den auszuschreibenden Auftrag (Auftragswert). Liegt dieser oberhalb des Schwellenwertes von z. Zt. 215.000,- Euro netto, ist der Auftrag EU-weit auszuschreiben.

Ein Blick zurück:

Bislang wurden für die Berechnung des Schwellenwertes alle Planungsdisziplinen (z.B. Architektenleistungen, Haustechnik, Statik) getrennt betrachtet, sodass eine europaweite Ausschreibung erst erfolgen musste, wenn der Schwellenwert innerhalb eines Planungsbereiches überschritten wurde. Rechtsgrundlage hierfür war § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV.

Dieses Vorgehen wurde von der EU-Kommission gerügt, da es angeblich gegen EU-Recht verstoße. Diesem Druck aus Brüssel hat sich der deutsche Gesetzgeber nun gebeugt und § 3 Abs. 7 Satz 2 aus der VgV gestrichen – gegen den Widerstand der Architekten- und Ingenieurkammern und der kommunalen Spitzenverbände auf Bundes- und Landesebene. In Niedersachsen initiierte die Architektenkammer ein gemeinsames Schreiben mit der Ingenieurkammer, dem NLT, NSGB und dem NStT an die Landesregierung und führte ein persönliches Gespräch mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium – leider ohne Erfolg.

In Zukunft gilt:

Mit der Änderung der VgV zum 24.08.2023 sind nun zur Berechnung des Schwellenwertes von 215.000,- Euro die voraussichtlichen Honorare der verschiedenen Planungsbereiche zu addieren. Liegt die Summe dann über dem Schwellenwert, sind die einzelnen Planungsaufträge in der Regel europaweit auszuschreiben. Damit können künftig bereits Vorhaben mit einer Bausumme von weniger als 1 Mio. Euro dem EU-Vergaberecht unterliegen und dürfen dann nicht mehr national ausgeschrieben werden.

Die Vergabeverfahren werden sowohl für die Auftraggeber- wie für die Seite der Auftragnehmer deutlich aufwendiger. Es ist zudem zu befürchten, dass die öffentliche Hand nun vermehrt die Leistungen nicht mehr getrennt vergibt, sondern den Weg der Generalplaner- oder gar Totalübernehmervergabe beschreitet. Damit würde die mittelstandsgeprägte Planungswirtschaft in Deutschland in ihrer Existenz gefährdet.

Welche Planungsleistungen sind nun zu addieren?

Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren das zuständige Bundeswirtschaftsministerium dazu aufgefordert, im Zusammenhang mit der Rechtsänderung klarstellende Hinweise zur zukünftigen Auftragswertberechnung zu veröffentlichen. Zwar hat das Ministerium tatsächlich mit Datum vom 23.08.2023 Erläuterungen herausgeben, besonders konkret sind diese jedoch leider nicht. Das Ministerium führt zu der Frage, welche Planungsleistungen bei einem Vorhaben zu addieren sind, unter anderem aus:

Hierbei ist eine „funktionale Betrachtung“ heranzuziehen. … Ein einheitlicher Gesamtauftrag liegt demnach vor, sofern dessen Teilleistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen. … Ob Planungsleistungen, die in ihrer Art auf unterschiedliche Weise erbracht werden, in funktionalem Zusammenhang stehen und zusammenzurechnen sind, ist (…) im Einzelfall von der jeweiligen Vergabestelle zu prüfen und zu dokumentieren. In Betracht kommt diese Prüfung insbesondere z.B. bei Bodengutachten oder Machbarkeitsstudien in einer frühen Vorplanungsphase.

Hier finden Sie die vollständigen Erläuterungen des BMWK

Auf die Frage, ob Planungsleistungen als Teil der Bauleistung betrachtet werden können – mit der Folge, dass dann der für Bauleistungen maßgebliche Schwellenwert von 5,382 Mio. Euro zur Anwendung käme – hat sich das Ministerium nicht hinreichend klar geäußert. Hier bleiben die weiteren Entwicklungen in der Praxis und Rechtsprechung abzuwarten.

Und was nun?

Der Vorstand der Architektenkammer Niedersachsen und der Ausschuss für Wettbewerbs- und Vergabewesen haben sich mit den Folgen der Rechtsänderung intensiv auseinandergesetzt. Ziel ist es nun, sich mit einem geplanten Leitfaden für die öffentlichen Auftraggeber für eine möglichst einfache und schlanke Ausgestaltung der Vergabeverfahren einzusetzen und sich für die Empfehlungen in Gesprächen mit der Auftraggeberseite zu werben – bei den Kommunen und auch beim Niedersächsischen Landesamt für Bau und Liegenschaften (NLBL).