1. Warum gibt es eine neue HOAI?
Anlass und Grund für die Änderung der HOAI war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4.7.2019 (C-377/17), dass die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gegen das Europarecht verstößt. Mit dieser Feststellung war nun die Bundesregierung verpflichtet, binnen rund eines Jahres die Europarechtswidrigkeit in der HOAI zu beseitigen. Dafür musste das Ingenieur- und Architektenleistungsgesetz (ArchLG) und die HOAI geändert werden.
2. Was ist denn das ArchLG und warum ist es auf einmal so wichtig?
Das Ingenieur- und Architektenleistungsgesetz (ArchLG) ist ein Gesetz, die HOAI ist „nur“ eine Rechtsverordnung. Man benötigt aber ein Gesetz, um überhaupt Rechtsverordnungen erlassen zu dürfen. Dies nennt man Ermächtigungsgrundlage: Das ArchLG ist also die Ermächtigungsgrundlage für die HOAI und musste zunächst geändert werden, um dann im zweiten Schritt die notwendigen Anpassungen in der HOAI vornehmen zu können.
3. Hätte der Gesetzgeber statt der HOAI-Änderung auch exklusive Vorbehaltsaufgaben für Architekten einführen können, um die Mindestsätze zu retten?
Der EuGH hat die Europarechtswidrigkeit mit einer sogenannten Inkohärenz begründet. Laienhaft mag man dies mit Widersprüchlichkeit übersetzen. Die besteht im Folgenden: Aus Sicht der Bundesregierung und der Architekten bedurfte es der Verbindlichkeit der Mindestsätze wegen des Verbraucherschutzes, der Qualität und der Baukultur. Der EuGH hielt diese Grundannahme für nachvollziehbar und hatte dagegen keine Einwände. Aber, so fragt dann der EuGH weiter: Wo bleiben Verbraucherschutz, Qualität und Baukultur bei der Leistungserbringung? Warum darf denn jeder in Deutschland planen? Denn: Es gibt – jenseits der Tätigkeiten, für die es die Bauvorlageberechtigung braucht – keine Vorbehaltsaufgaben für Architekten.
Der erste Gedanke in der Architektenschaft war natürlich: Dann werden Vorbehaltsaufgaben ins Gesetz aufgenommen, um die Widersprüchlichkeit aufzulösen. Jedoch:
a) Der EuGH hat nicht gesagt, dass Mindestsätze erlaubt sind, wenn es Vorbehaltsaufgaben gibt. Er bricht nämlich vorher seine Prüfung ab. Durchaus vertreten manche Juristen die Auffassung, dass auch bei Vorbehaltsaufgaben keine verbindlichen Mindestsätze möglich und erlaubt wären.
b) Die zuständigen Bundesministerien haben erkennen lassen, dass sie europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken haben, Vorbehaltsaufgaben für Architekten einzuführen, nicht zuletzt deshalb, weil in den vergangenen Jahrzehnten ein solcher Vorbehalt nicht bestand, ohne dass es (nach unserer Kenntnis) genau deshalb zu Gefahrensituationen gekommen wäre.
c) Schon rein formal betrachtet wären Vorbehaltsaufgaben nicht in einem Jahr im deutschen Recht umsetzbar, denn es ist unter Juristen umstritten, ob dafür Änderungen des Bundesrechts und/oder des jeweiligen Landesrechts notwendig sind. Zudem möchte sich der Berufsstand erst einmal selbst Klarheit verschaffen, welche Aufgaben überhaupt Vorbehaltsaufgaben sein sollten.
4. Es ist häufig zu lesen, dass die HOAI-Novelle „minimalinvasiv“ ist. Was bedeutet das?
Minimalinvasiv heißt, dass grundsätzlich nur das geändert wird, was (vermeintlich) europarechtswidrig ist. Für eine größere Reform, die unter anderem die Leistungsbilder und Honorartafeln umfassen müsste, fehlte aufgrund der europarechtlichen Vorgaben die Zeit.
Eine solche Reform wird aber von der BAK und den Landesarchitektenkammern angemahnt und nach sieben Jahren für dringend notwendig gehalten. Auch ist das Thema der Vorbehaltsaufgaben damit nicht vom Tisch und wird weiter als langfristiges Ziel verfolgt.
5. Hätte die Bundesregierung auch die HOAI abschaffen dürfen?
Ja, dies wäre möglich gewesen. Die Bundesregierung hätte auch radikal vorgehen und die HOAI komplett abschaffen können.
6. Gibt es jetzt keine Mindest- und Höchstsätze mehr in der neuen HOAI?
Aufgrund der EuGH-Entscheidung gibt es keine verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mehr. Es gibt also kein verpflichtendes Preisrecht, an das sich Bauherren und Architekten halten müssen. Allerdings gibt es weiterhin die Honorartafeln wie bisher mit ihren Honorarkorridoren. Die früheren Mindestsätze heißen jetzt allerdings „untere Honorarsätze“ (oder auch Basishonorarsätze), die früheren Höchstsätze „obere Honorarsätze“.
7. Im ArchLG und in dem Begründungstext zur HOAI gibt es nun einen Angemessenheitsbezug. Was heißt das?
Beide Parteien dürften grundsätzlich auch Honorare unterhalb und oberhalb des Honorarkorridors der HOAI vereinbaren. Aber die Honorare, die innerhalb der HOAI-Honorarspannen liegen, sind diejenigen, die der Gesetzgeber in jedem Fall als angemessen ansieht. Damit soll es einen Ansatzpunkt geben, dass kein ruinöser Preiswettbewerb stattfindet.
8. Entsprechen angemessene Honorare einem verbindlichen Mindestsatz?
Nein, ein verbindlicher Mindestsatz ist europarechtswidrig und darf auch nicht „durch die Hintertür“ eingeführt werden. Die Angemessenheit ist kein neuer verbindlicher Mindestsatz. Die Honorartafeln der HOAI stellen eine Empfehlung des Gesetzgebers und eine Orientierungshilfe zur Ermittlung angemessener Honorare dar. Unangemessene Honorare sind aber nicht per se verboten, solange sie nicht wucherhaft oder sittenwidrig sind. Doch sollte sich jeder Bauherr und jeder Architekt Gedanken machen, ob es sinnvoll ist, unangemessen niedrige Honorare zu vereinbaren. Wer den sicheren Weg gehen will, vereinbart angemessene Honorare und die finden sich unstrittig in der HOAI. Gerade öffentlichen Auftraggeber sollten vermeiden, ihre Marktmacht zur Vereinbarung unangemessen niedriger und unter Umständen unauskömmlicher Honorare einzusetzen.
9. Was passiert, wenn sich die Parteien nicht auf die Höhe eines Honorars geeinigt haben?
Auch die neue HOAI hat dafür eine Lösung: Sofern keine oder keine wirksame Vereinbarung über die Höhe getroffen wurde (und zwar in Textform), gilt für die Grundleistungen der Basishonorarsatz als vereinbart.
10. Gibt es neue Aufklärungs- und Informationspflichten?
Ja, der Verordnungsgeber führte nun in die neue HOAI ein, dass der Architekt seinen Auftraggeber vor Vertragsschluss in Textform darauf hinweisen muss, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln erzielten Werte vereinbart werden kann. Diese Regelung gilt nur gegenüber Verbrauchern, also nicht gegenüber Unternehmen. Unterbleibt der Hinweis, so gilt der Basishonorarsatz als vereinbart, aber nur sofern das vereinbarte Honorar darüber gelegen hat. Ein ohne Verbraucherhinweis vereinbartes niedrigeres Honorar bleibt hingegen unverändert. Auch dies spricht dafür, oberhalb der früheren Mindestsätze zu bleiben.
Einen Überblick über die wesentlichen Regelungen und Änderungen finden Sie bei Schnepel, DAB 11/20, S. 42., abrufbar unter: https://www.dabonline.de/2020/10/07/hoai-2021-was-ist-zu-erwarten-reform-honorare/
Verfasser des FAQ: Dr. Eric Zimmermann, Architektenkammer Baden-Württemberg, und Dr. Florian Hartmann, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
mehr zur HOAI: https://www.bak.de/berufspolitik/hoai-1/