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"Einfach gut!"-Modellprojekt zeigt Wege für suffizienten und nachhaltigen Wohnungsbau

Carolin Lauhoff - Stephanswerk Wohnungsbaugesellschaft mbH

Der Wohnungsbau steht in Deutschland vor großen Herausforderungen. Steigende Baukosten, der Druck zur CO2-Neutralität und die zunehmende Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, um nur ein paar wenige Stichworte zu nennen. 

Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, startete im Sommer 2022 das Modellprojekt „Einfach gut“ der Architektenkammer Niedersachsen. Ziel des Projekts ist es, konkrete Ansätze zu entwickeln, wie suffiziente Gebäude geplant und gebaut werden können mit den Maßgaben “effizient, nachhaltig und bezahlbar“.

Das Projekt ist eine Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Darunter die Architektenkammer mit einem Gremium aus verschiedenen Fachplanern, der Verband der Wohnungswirtschaft (VdW), die NBank, das niedersächsische Bauministerium sowie mehrere Wohnungsbaugesellschaften.
 

Lösungsideen aus der Praxis

Im Mittelpunkt des Modellprojekts stehen konkrete Bauvorhaben, die als Best-Practice-Beispiele dienen sollen. Diskutiert werden unter anderem die Fragen:

  • Wie sieht ein suffizientes Gebäude aus?
    Welche Anforderungen lassen sich vereinfachen, ohne dabei an Qualität einzubüßen?
    Auf welche sonst gewohnten, aber kaum hinterfragten Baustandards kann verzichtet werden? 

    Die hier gewonnenen Erkenntnisse konnten durch viele gemeinsame Diskussionen zwischen den Akteuren und dem Ministerium direkt in die Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) einfließen, die im Sommer 2024 verabschiedet wurde.

Ein Beispiel aus der Praxis ist das Neubauprojekt der Wohnungsbaugesellschaft Stephanswerk Osnabrück. Eine GmbH des Bistums Osnabrück mit 60 Mitarbeitenden und einer eigenen Architekturabteilung. Der Fokus des Unternehmens liegt auf der Errichtung von verschiedenen Wohnformen, wie z.B. Wohnheime und -gruppen mit verschiedenen Anforderungen. Geplant ist beim Modellprojekt der Ersatz eines bestehenden Gebäudes an der Rheiner Landstraße in Osnabrück, in dem derzeit zehn ehemals obdachlose Menschen in Übergangswohnungen leben. Die Betreuung übernimmt der SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste e.V.). Nach genauer Untersuchung des baulichen Bestands wurde festgestellt, dass sich eine Sanierung des Standorts aufgrund von vorherrschenden Baumängeln wirtschaftlich nicht abbilden lässt, weshalb ein Konzept für einen Neubau entwickelt wurde, welches auf innovativen Praktiken und suffizienzorientierten Lösungsansätzen basiert. Dazu gehören:

  • Komprimierte Wohnungen in Zweier-WGs ohne Balkon, dafür mit großzügigem Gemeinschaftsraum und Gartennutzung (urban gardening).
  • Barrierefreiheit nur im Erdgeschoss, um Kosten zu reduzieren.
  • Verzicht auf Pkw-Stellplätze zugunsten einer großen Fahrradgarage.
  • Nachverdichtung durch zusätzliche Einzelapartments im Garten mit ca. 7 Apartments und jeweils 26 Quadratmetern Wohnfläche.

Trotz der durchdachten Planung konnte das Projekt bisher nicht umgesetzt werden, da die gestellten Bauvoranfragen aus den Jahren 2022 und Anfang 2024 abgelehnt wurden. Erst jetzt schafft die Novelle der NBauO die rechtlichen Grundlagen, die zuvor gefehlt haben, um von einigen gesetzlichen Vorgaben abweichen zu können. Weitere Herausforderungen bleiben jedoch:
So gestaltet sich beispielsweise die Suche nach einem Ausweichquartier für die jetzigen Bewohner:innen äußerst schwierig. Ersatzflächen mit erschwinglichen Mieten für diese Zielgruppe sind kaum zu finden.
 

Suffizientes Bauen im Bestand

Ein zweites Modellprojekt des Stephanswerks befindet sich in Wallenhorst, nördlich von Osnabrück gelegen. Hier ist die Aufstockung von drei bestehenden Wohnblocks aus den 70er Jahren um jeweils eine weitere Wohnetage mit 6 Wohneinheiten geplant, in denen derzeit 36 Senior:innen in Sozialwohnungen leben. Die Bauvoranfrage wurde hier problemlos genehmigt, doch die Umsetzung ist fraglich, da die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist. Die Kosten einer angestrebten Vollsanierung nebst Aufstockung könnten durch die derzeit limitierten und kaum dynamisierbaren Miethöhen von 5,80 Euro pro Quadratmeter nicht refinanziert werden.
 

Handlungsbedarf: Rechtssicherheit und Förderung

Aus diesen Modellprojekten ergibt sich weiterer Diskussionsbedarf und konkrete Wünsche an Politik und Förderinstitute:

  1. Rechtssicherheit für Architekt:innen: Die Novelle der NBauO ist ein wichtiger erster Schritt. Weitere Konkretisierungen, etwa zu Nullschwellen oder reduzierten Schallschutzanforderungen, sind erforderlich.
  2. Anpassung der Förderrichtlinien der N-Bank: Gemeinschaftsräume und suffiziente Lösungen wie z.B. kleinere Abstellräume müssen förderfähig sein.
  3. Freiraum bei der Gebäudeentwicklung: Kommunen und Architekt:innen benötigen mehr Flexibilität, um innovative Konzepte umzusetzen.
  4. Novellierung des Energiestandards: Weniger Technik bedeutet weniger Kosten und Wartungsaufwand. So könnten z. B. Infrarotheizungen in Kombination mit Photovoltaik-Anlagen die Energiekonzepte vereinfachen.
  5. Mietpreisbremse und Neubaukosten: Die anzusetzende Miethöhe im bezahlbaren Neubau ist in den letzten 2 Jahren um mehr als 50% gestiegen. Die daraus resultierende Diskrepanz der Miethöhen zwischen Neu- und Altbau erfordert politische Lösungen, um bezahlbaren Neubau zu ermöglichen.

Das Modellprojekt “Einfach gut“ hat einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um suffizienten Wohnungsbau geleistet. Mit der Novellierung der NBauO wurde ein erster Schritt getan, doch es braucht weitere Maßnahmen, um das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum auch zukünftig zu gewährleisten und Wohnungsbaugesellschaften zu entlasten.

Der Druck auf die Wohnungswirtschaft wächst. Die Zielvorgaben zur CO2-Neutralität im gesamten Wohnungsbestand bis 2045, dazu die steigenden Baukosten, neue Energiestandards und der soziale Auftrag bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Insbesondere weil zunehmend Altwohnungen aus der sozialen Bindung herausfallen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es entscheidend, die erarbeiteten Lösungsansätze weiterzuentwickeln und dann zügig in die Praxis umzusetzen. Dafür brauchen wir eine enge Zusammenarbeit aller Akteure und die Unterstützung durch Politik und Förderinstitute.

Suffizient und qualitativ gut zu bauen ist nicht nur eine Vision, es ist ein notwendiger Auftrag für ein gerechtes und friedfertiges Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Suffizient und qualitativ gut zu bauen ist nicht nur eine Vision, es ist ein notwendiger Auftrag für ein gerechtes und friedfertiges Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

 

Carolin Lauhoff
Geschäftsführerin
Architektin | Dipl.-Ing. | M.Sc. urban management
Stephanswerk Wohnungsbaugesellschaft mbH
Osnabrück