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„Wir bauen die falschen Wohnungen“

Wohnungspolitischer Kongress 2025 – Ein Nachbericht 

„Nachhaltiger Wohnungs(um)bau – neu definiert“ – am 30. September fand der 20. Wohnungspolitische Kongress der NBank in Hannover statt und diskutierte aktuelle Fragestellungen der Wohnungspolitik mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Planung. Er machte deutlich: Ein Umdenken ist jetzt notwendig – und bietet große Chancen.

Einführend präsentierte Staatssekretär Matthias Wunderling-Weilbier aus dem Wirtschaftsministerium Grundlagen zum Wohnungsbau. „Angemessener Wohnraum ist ein Menschenrecht und die Wohnungsfrage wird zunehmend zur Gesellschaftsfrage“. Damit seien die Bedeutung von Wohnraum für die soziale Gerechtigkeit und eine funktionierende Demokratie umrissen. Wohnen dürfe nicht nur Kapitalanlage sein. Während es 1990 noch 2,8 Mio. Sozialwohnungen gab, standen 2023 nur noch 1,0 Mio. zur Verfügung. Wenn Städte und Kommunen ihre Wohnungen verkauften, träfe dies die sozial Schwächeren besonders hart, da sie prozentual deutlich mehr Miete von ihrem Einkommen aufbringen müssten. 

Positiv hob er hervor, dass Niedersachsen mit einem Wachstum von knapp 5 % im 1. Halbjahr 2025 möglicherweise die Talsohle des Wohnungsbaurückgangs durchschritten habe. Gleichzeitig präsentierte er neue demografische Entwicklungen und warnte: Die Bevölkerungsentwicklung verläuft anders als erwartet – statt eines prognostizierten leichten Wachstums bis 2040 ist nun ab 2045 mit einem leichten Rückgang zu rechnen. Gleichwohl bleibe die Schaffung von Wohnraum ein Hauptanliegen, jedoch müsse dieser stärker bedarfsgerecht ausgerichtet sein, um nicht den Leerstand von morgen zu produzieren. 

„Wir bauen die falschen Wohnungen!“, resümierte auch Steffen Szeidel, CEO von Drees & Sommer SE, in seinem Hauptvortrag. Angesichts der schlechten Ökobilanz des Bauens – 40 % der CO₂-Emissionen, 40–50 % des Ressourcenverbrauchs und 60 % des Müllaufkommens in Deutschland – müssten bestehende Gebäude als Ressource genutzt werden. Sie müssten um- und ausgebaut und erweitert werden, sodass sie lange und optimal genutzt werden können. 

Auch das Mindset müsse sich ändern: Man müsse durchaus über den Quadratmeterverbrauch pro Kopf nachdenken – so bewohnen alleinlebende über 65-Jährige im Durchschnitt 83 m². Allein die 69 Billionen US-Dollar, die bei einem Temperaturanstieg von 2 Grad weltweit an Klimafolgekosten für Gebäude und Infrastruktur entstünden, erforderten ein radikales Um- und Neudenken. Der Schutz des Klimas müsse schnell und dauerhaft gewährleistet werden. Denn nebenbei: auch hier verändern sich die Rahmenbedingungen schnell: „Heute sprechen wir kaum noch übers Heizen, es geht vielmehr ums Kühlen.“

Seine Hauptpunkte: Leerstand nutzen, innerstädtische Büros in Wohnungen umwandeln, Aufstocken – über 270.000 Wohnungen könnten auf Dächern entstehen – und im Bestand konsequent weiterbauen. Auch gelte, Versiegelung zu stoppen und die „grüne Wiese“ zu bewahren. Eindringlich empfahl er ein Bündel von Maßnahmen: Bauen müsse einfacher und innovativer werden, Prozesse beschleunigt, Gesetze neu gedacht, Materialien sortenrein wiederverwendet („Cradle to Cradle“) und sich für serielles Bauen eingesetzt werden. Ein entscheidender Faktor sei dabei die Akzeptanz aller Beteiligten – Nutzer, Architekten, Wohnungsbauer, Kommunen, Bauwirtschaft und Handwerk.

In drei verschiedenen Foren wurden Schwerpunkte vertieft, darunter „Quartier im Bestand entwickeln“ und „Cradle to Cradle“ oder auch „Einfach bauen in der Praxis – Suffizienz als planerische Aufgabe“. Bei letzterem leitete Sven Martens (gruppeomp) ins Thema ein und knüpfte an seinen Beitrag beim 17. Wohnungspolitischen Kongress 2019 an. Aus den damaligen Impulsen entstand die Arbeitsgruppe „Einfach gut!“, gegründet mit Vertretern aus NBank, vdw und mit Fachwissen von Architektinnen, Tragwerksplanern, Energie- und Rechtsexperten, die konkrete Bauvorhaben in verschiedenen Städten in Niedersachsen und Bremen begleitet. 

Sechs Jahre später spricht sich Martens wieder für Suffizienz, als die angemessene Menge statt des „immer mehr“aus. „Es geht nicht darum, Verzicht zu üben, sondern um kluge Entscheidungen. Am Ende zählt die Balance.“ Normen versteht er dabei als „Leitplanken“. Jedes Bauvorhaben müsse jedoch individuell betrachtet und eine intelligente Strategie für es entwickelt werden. Es gehe darum, Lebensräume zu schaffen, die von den Bewohnern geliebt und gepflegt würden – eine lange Nutzungsdauer sei der einfachste Weg zur Nachhaltigkeit. 

Carolin Lauhoff, Geschäftsführerin des Stephanswerks Osnabrück, schilderte ihre Erfahrungen aus rund 50 Bauprojekten, die sie unter anderem für das Stephanswerk parallel betreut. Sie hat dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht: während die Quartiersentwicklung in Eggermühlen ein großer Erfolg ist, kann das Quartiersmanagement bei unterschiedlichen Gruppen auch eine große Herausforderung darstellen. Sie ging auch auf die zwei Bauvorhaben ein, die Teil des Projekts „Einfach gut!“ sind: sie entwickeln sich deutlich schwieriger und langsamer als erhofft und unterstreichen die Notwendigkeit nach schnellen, kostengünstigen und klaren Strukturen, die gelegt werden müssen. 

Dass Einfachheit ein Schlüssel zum Erfolg ist, unterstrich auch Prof. Martin Betzler, Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen. Der Bauingenieur plädierte für klare, einfache Bauweisen, die das Bauen sicherer, kostengünstiger und nachhaltiger machen. Es gäbe viele Stellschrauben, an denen gedreht werden könne und die Quartiersentwicklung könne dabei ein wichtiger Baustein sein. 

Am Ende haben die Teilnehmenden des 20. WoPoKos den Eindruck, dass der soziale Wohnungsbau als wichtiges Thema prominent auf der Agenda aller am Bau Beteiligten steht – der Nutzenden, Bauherren, Architekten, Genehmigenden, Kommunen und Städte. Vieles ist schon längst machbar, doch bedarf des Mindsets, dies auch wirklich-endlich umzusetzen. Wann tun wir es? Klar ist: Längeres Warten kommt uns teuer zu stehen. Niedersachsen hat Potenziale, um Wohnraum zukunftsgerecht zu gestalten. Entscheidend ist, gemeinsam Kräfte zu bündeln – und den Mut aufzubringen, die neuen Wege auch zu gehen. Das schafft bezahlbare Mieten und nützt uns allen.